liebe seligenstädterinnen und seligenstädter, ich schäme mich.
in den letzten vier jahren hat unsere stadt überregional für politischen gesprächsstoff gesorgt. nicht, weil sie es geschafft hat, eine besonders zukunftsorientierte, gemeinschaftliche und weltoffene kleinstadt zu sein. nicht, weil wir vordenker waren bei den fragen, wie wir heiße sommer durch trinkbrunnen und verschattungen erträglicher machen oder den verpackungsmüll aus unserem stadtbild entfernt bekommen.
wir sind überregional repräsentiert, weil rechtspopulisten unseren marktplatz wochenlang für ihre kundgebungen gegen mitmenschlichkeit benutzt haben, wir sind überregional repräsentiert durch einen netzwerker mit suspekten kontakten in das rechtspopulistische milieu und wir haben es erneut geschafft, überregionale aufmerksamkeit zu erreichen durch das bemerkenswerte handeln einiger weniger, ausgestattet mit plakatplane, kabelbinder und dachlatten.
kommen sie in das kleinod am main: hier kann man geschichtsrevisionismus hautnah erleben!
ich schäme mich nicht für die initiatoren dieser kampagne, die unsere kleinstadt überhüllt, die sind es nicht wert. ich schäme mich für die gleichgültigkeit jeder einzelnen mitbürgerin und jedes einzelnen mitbürgers, die dies widerspruchslos hinnehmen kann. ich schäme mich für so viel stille in meiner heimatstadt.
ich schäme mich für das schweigen der vielen landtagskandidaten, politisch verantwortlichen, vereinsvorsitzenden und vieler mehr. ich schäme mich auch für ihr und dein schweigen.
liebe seligenstädterinnen und seligenstädter, das sind wir nicht. wir, die wir zum geleit, an fastnacht und in der besinnlichen zeit so wunderbar zusammen feiern, reden und lachen können. wir, die wir gemeinsam stolz mit den klein-welzheimern ihr ortsjubiläum gefeiert haben und uns mit den froschhäusern für einen schutz des ortskerns und eine verkehrsberuhigung einsetzen.
wir niederfelder, die sozialen zusammenhalt in der dna haben, wir altstädter, die das bauliche historische gesicht dieser stadt bewahren. wir junge familien, die sich entschieden haben, wieder zurück in die geburtsstadt zu ziehen und trotz schwieriger finanzieller umstände ein zuhause aufzubauen. wir senioren, die wir zusammenhalten und uns im alltag unterstützen; wir sind nicht dieses seligenstadt. aber dann sagen sie sich das auch jeden tag. und sagen sie es der welt.
mein seligenstadt, ich schäme mich.
leserbrief 27. august 2023